Der ukrainische Präsident Selenskiy besucht die Donets Region mit Journalisten

Eklat im Oval Office: Trump gegen Selenskyj – Kippt jetzt die Ukraine-Hilfe?

Der jüngste Eklat im Oval Office zeigt, dass die Ukraine-Hilfe ins Wanken gerät. Mit Trump zurück an der Macht steht Europa vor der Frage: Kann es Kiew auch ohne die USA ausreichend unterstützen? Während Länder wie Deutschland, Frankreich und Polen Milliarden an Waffen liefern, bleibt unklar, ob das reicht. Ohne Washington drohen Munitionsengpässe und politische Spaltungen. Sollte Europa nicht schnell handeln, könnte Russland an Einfluss gewinnen – mit fatalen Folgen für die Sicherheitsordnung in Europa.

Aktuelle Situation der Ukraine-Unterstützung durch USA und Europa

Die jüngsten Spannungen zwischen Washington und Kiew – kulminierend in einem Eklat beim Treffen von US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj – haben Fragen zur zukünftigen Unterstützung der Ukraine aufgeworfen. Insbesondere stellt sich die Frage, wie entscheidend die Hilfe der USA bislang für den Kriegsverlauf war und ob Europa allein – oder mit Hilfe weiterer Verbündeter – die Ukraine ausreichend unterstützen könnte. Im Folgenden werden die aktuellen Hilfen der USA, Europas Kapazitäten ohne die USA, weitere Unterstützer, Trumps Motive, Selenskyjs Rolle, mögliche Zugeständnisse sowie Zukunftsprognosen analysiert, basierend auf aktuellen Berichten und Experteneinschätzungen.

1. Aktuelle US-Hilfen für die Ukraine

Umfang der Unterstützung: Die Vereinigten Staaten sind seit Kriegsbeginn der mit Abstand größte Unterstützer der Ukraine. Insgesamt haben die USA bis Anfang 2024 Hilfen im Wert von etwa 69 Milliarden Euro zugesagt und teils bereits geleistet. Diese Summe umfasst militärische Ausrüstung, finanzielle Unterstützung für den ukrainischen Staatshaushalt und humanitäre Hilfe. Kein anderes Land kommt an dieses Volumen heran – der zweitgrößte Einzelgeber, Deutschland, hat vergleichsweise rund 22 Milliarden Euro an direkter Hilfe geleistet. Die US-Hilfen umfassen moderne Waffensysteme (etwa Artillerie, HIMARS-Raketenwerfer, Luftabwehr wie Patriot-Systeme, Panzer und bald auch F-16-Kampfjets), umfangreiche Munitionslieferungen sowie nachrichtendienstliche Unterstützung und Ausbildung ukrainischer Soldaten. Zudem stellt Washington Milliarden an finanzieller Hilfe bereit, um den ukrainischen Staat am Laufen zu halten und Gehälter sowie Renten zu zahlen. Ohne diese US-Hilfen hätte die Ukraine erhebliche Schwierigkeiten, den Verteidigungskrieg gegen Russland fortzuführen.

Auswirkungen auf den Kriegsverlauf: Die amerikanische Unterstützung hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Ukraine dem russischen Angriff standhalten und sogar Geländegewinne erzielen konnte. Hochpräzise westliche Waffensysteme – allen voran aus den USA – ermöglichten es der ukrainischen Armee, die russischen Nachschublinien anzugreifen (z.B. durch HIMARS) und wichtige Offensiven durchzuführen. So trugen westliche Waffen im Herbst 2022 zur Rückeroberung der Gebiete um Charkiw und Cherson bei. Luftabwehrsysteme aus den USA schützen ukrainische Städte vor russischen Raketen und Drohnen. Insgesamt kann die Bedeutung der US-Hilfe kaum überschätzt werden, wie der Osteuropa-Experte Ulrich Schmid betont: Die militärische und wirtschaftliche Unterstützung aus den USA war „bedeutend und kann nicht ohne Weiteres ersetzt werden“. Ohne westliche – vor allem US-amerikanische – Waffen und Finanzspritzen stünde die Ukraine wohl längst weitaus stärker unter Druck oder hätte Teile ihres Staatsgebiets nicht halten können. Die US-Hilfe stabilisiert damit die ukrainische Verteidigung und stärkt zugleich Kiews Verhandlungsposition gegenüber Moskau.

Folgen eines Stopps der US-Unterstützung: Ein abruptes Ende oder drastischer Rückgang der amerikanischen Hilfe wäre für die Ukraine ein schwerer Schlag. Westliche Beobachter warnen, dass ein solches Szenario „enorme Sicherheitsbedrohungen“ mit sich brächte . Fehlen den ukrainischen Streitkräften künftig Nachschub an Munition, Ersatzteilen und modernen Waffen, könnten russische Truppen wieder an Boden gewinnen. Auch die Moral der ukrainischen Bevölkerung und Armee würde unter dem Gefühl nachlassender Rückendeckung leiden. Ulrich Schmid prognostiziert, ein US-Stopp „wäre ein schwerer Schlag“ und die Amerikaner könnten „nicht ohne Weiteres ersetzt werden“. Ein solcher Wegfall der wichtigsten Unterstützungsleistung würde die Kriegsdynamik zugunsten Russlands verschieben. Moskau würde vermutlich versuchen, die Gunst der Stunde zu nutzen, während Kiew entweder verstärkt auf europäische Hilfe angewiesen wäre oder über einen Waffenstillstand nachdenken müsste. US-Außenminister (Secretary of State) Marco Rubio brachte es so auf den Punkt: Sollte Trump beschließen, sich völlig von der Ukraine abzuwenden, hätte „niemand auf diesem Planeten“ die Chance, die Kriegsparteien zu Verhandlungen zu bewegen. Die Befürchtung lautet also: Ohne die USA könnte der Konflikt entweder auf unbestimmte Zeit eingefroren bleiben – oder die Ukraine wäre mittelfristig militärisch überfordert.

Allerdings würde ein US-Rückzug Europa in Alarmbereitschaft versetzen. Viele europäische Staatenlenker wissen, dass ein russischer Sieg in der Ukraine letztlich auch für Europa gravierende Folgekosten und Sicherheitsrisiken mit sich brächte. Daher ist zu erwarten, dass die europäischen Staaten im Falle eines US-Stopps ihre Hilfe für Kiew weiter aufstocken würden, um das Vakuum zumindest teilweise zu füllen. Dennoch: Die Dominanz der USA als Unterstützer macht klar, wie kritisch deren Engagement für den Ausgang des Krieges ist.

2. Europas Kapazitäten zur Unterstützung der Ukraine ohne die USA

Wirtschaftliche und militärische Ressourcen der EU: Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten haben ebenfalls umfangreiche Hilfen für die Ukraine mobilisiert. Zusammengenommen hat Europa (EU-Institutionen und einzelne europäische Länder) nach zwei Kriegsjahren finanzielle, humanitäre und militärische Hilfen in dreistelliger Milliardenhöhe zugesagt. Bis Anfang 2024 summierten sich alle internationalen Hilfszusagen laut Ukraine Support Tracker auf über 260 Milliarden Euro, wovon rund 108 Milliarden Euro militärische Unterstützung ausmachen. Der größte Anteil davon stammt – wie erwähnt – aus den USA . Doch Europa hat seine Hilfe 2023 deutlich aufgestockt und bemüht sich um langfristige Unterstützungsmechanismen. So hat die EU beispielsweise 18 Milliarden Euro an Makrofinanzhilfen für 2023 bereitgestellt und plant ein neues mehrjähriges Unterstützungspaket von 50 Milliarden Euro bis 2027. Auch militärisch tragen europäische Länder substantiell bei: Deutschland ist nach den USA der größte bilaterale Unterstützer und stellte Waffen im Wert von Milliarden (darunter Luftabwehrsysteme wie IRIS-T, Panzerhaubitzen, Leopard-2-Panzer und Munition). Großbritannien – trotz EU-Austritt ein zentraler europäischer Akteur – lieferte frühzeitig Panzerabwehrraketen, später moderne Kampfpanzer (Challenger 2) und Marschflugkörper, und investiert stark in die Ausbildung ukrainischer Soldaten. Polen und die baltischen Staaten geben einen außergewöhnlich hohen Anteil ihres BIP für Hilfe aus und haben große Teile ihrer eigenen Bestände an Kampf- und Schützenpanzern sowie Munition an die Ukraine abgegeben. Frankreich liefert u.a. Luftabwehr, Geschütze (CAESAR-Haubitzen) und Schützenpanzer und engagiert sich diplomatisch. Auch Italien, Spanien, Niederlande, Schweden und viele weitere europäische Länder tragen mit Waffen, Geld und humanitärer Hilfe bei. Dennoch bleibt die Frage der Kapazitäten: Reichen Europas Ressourcen aus, um die USA im Ernstfall zu ersetzen?

Europas Volkswirtschaften sind in Summe zwar ebenso groß wie die der USA, doch militärisch hinkte Europa lange hinterher. Nach Ende des Kalten Kriegs wurden europäische Armeen verkleinert und die Rüstungsproduktion zurückgefahren. Der Krieg in der Ukraine hat diese Mängel schonungslos offengelegt: Insbesondere bei der Munition herrschte akuter Mangel. Die Ukraine verbraucht pro Tag Tausende Artilleriegranaten – viel mehr, als Europas Rüstungsfirmen produzieren konnten. Anfang 2023 lag die europäische Produktion von 155mm-Artilleriegranaten pro Jahr lediglich im niedrigen sechsstelligen Bereich, während der Bedarf der Ukraine auf etwa 200.000 Schuss pro Monat geschätzt wurde. Die EU-Staaten versprachen im März 2023, innerhalb eines Jahres eine Million Schuss schwerer Munition bereitzustellen; geliefert wurden bis zum Frühling 2024 aber nur rund 520.000 Schuss, also knapp die Hälfte. Gründe waren begrenzte Produktionskapazitäten und schleppende Bestellungen.

Produktionskapazitäten für Waffen und Munition: Um diesen Engpass zu beheben, hat die EU 2023 mehrere Initiativen gestartet. Mit dem Programm ASAP (Act in Support of Ammunition Production) und weiteren Fonds werden Milliarden investiert, um die europäische Rüstungsindustrie hochzufahren. Ziel ist es, dass die europäischen Munitionshersteller ihre Kapazität bis Ende 2025 auf 2 Millionen Artilleriegeschosse pro Jahr steigern – also etwa eine Vervierfachung. Zudem kaufen EU-Staaten über gemeinsame Beschaffung Munition auch außerhalb Europas zu, etwa in Südkorea. Parallel dazu erhöhen viele Länder ihre Verteidigungsausgaben deutlich; Deutschland etwa stellt ein 100-Mrd.-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr bereit und will 2% vom BIP fürs Militär ausgeben. Kurzfristig kann Europa die US-Rolle jedoch kaum vollständig kompensieren: „Die amerikanische militärische […] Hilfe […] kann nicht ohne Weiteres ersetzt werden“, warnt Prof. Schmid. Europa würde im Falle eines US-Ausfalls zwar einspringen, müsste dann aber enorme finanzielle Lasten schultern und stünde vor der Herausforderung, genug Material rechtzeitig zu produzieren.

Rolle einzelner Mitgliedstaaten: Einige europäische Länder käme dabei besondere Bedeutung zu. Deutschland verfügt über eine bedeutende Rüstungsindustrie (Panzer, Artillerie, Luftabwehr) und hat wirtschaftlich die Kraft, seine Unterstützung noch auszuweiten – politisch war dies jedoch innenpolitisch zeitweise umstritten. Frankreich kann Hochtechnologie beisteuern (etwa Rafale/Kampfflugzeuge oder weitere Luftabwehr), zögert aber bei zu starker Konfrontation mit Russland. Polen und die baltischen Staaten würden wohl alles tun, um einen ukrainischen Sieg bzw. zumindest Russlands Niederlage sicherzustellen, stoßen aber materiell irgendwann an Grenzen ihrer Lagerbestände. Großbritannien hat sich bereits unabhängig von der EU als einer der konsequentesten Unterstützer profiliert und dürfte dies fortführen – auch um seine Rolle als führende europäische Militärmacht zu untermauern. Italien und Spanien könnten ihre Hilfe steigern, werden aber innenpolitisch von teils russlandfreundlichen Parteien gebremst. Europäische Staaten außerhalb der EU wie Norwegen und Großbritannien tragen ebenfalls viel bei – Norwegen etwa hat eines der größten Hilfspakete pro Kopf geschnürt und will bis 2027 jährlich rund 1,5 Mrd. € an Kiew geben. Insgesamt ist Europa wirtschaftlich potent genug, die Ukraine auch ohne die USA weiter zu finanzieren. Die entscheidende Frage ist, ob der politische Wille und die sicherheitspolitische Einstufung der Gefahr überall ausreichen, um im Ernstfall dauerhaft hohe Kosten und Risiken zu tragen. Der Eklat im Weißen Haus hat jedoch einen Weckruf ausgelöst: Vielen EU-Staatschefs wurde „nun endgültig klar, dass auf die Trump-Regierung kein Verlass ist bei der Bekämpfung der russischen Aggression“. Die Europäer würden ihre Anstrengungen also eher verstärken, als die Ukraine fallen zu lassen.

Fazit zu Europas Kapazität: Europa kann in einer Notsituation vermutlich gerade noch verhindern, dass die Ukraine militärisch kollabiert, sollte Washington die Hilfe einstellen – aber nur mit großen Anstrengungen und nicht unbegrenzt. Kurzfristig fehlen (noch) die industriellen Kapazitäten, um z.B. den Munitionsverbrauch komplett zu decken. Mittel- bis langfristig arbeiten EU und Länder daran, diese Lücken zu schließen (z.B. 2 Mio. Schuss Jahresproduktion bis 2025 ). Die Wirtschaftskraft der EU (rund 16 Billionen € BIP) ließe prinzipiell auch größere Finanzhilfen zu. Ein entscheidender Punkt ist jedoch Einigkeit und Koordination: Die EU müsste geschlossen handeln, um die Wirkung der gemeinsamen Ressourcen zu maximieren. Derzeit werden Hilfen teils bilateral, teils über Brüssel gewährt – künftig könnte eine noch stärkere Bündelung (etwa ein gemeinsamer europäischer Ukraine-Fonds oder Rüstungsbeschaffungen über die EU) nötig sein, um effizient und schnell genug zu sein.

3. Unterstützer außerhalb der EU

Auch außerhalb Europas erhält die Ukraine Unterstützung von einer Koalition demokratischer Staaten. Zu den wichtigsten Helfern zählen Kanada, Japan und Australien, aber auch einige andere Länder.

Kanada: Als enger Verbündeter der USA und Heimat einer großen ukrainischen Diaspora hat Kanada erhebliche Hilfe geleistet. Seit 2022 stellte Ottawa umgerechnet etwa 5,7 Milliarden Euro an Hilfe bereit. Darin enthalten sind militärische Lieferungen (u.a. gepanzerte Fahrzeuge, Artilleriegeschütze, 8 Leopard-2-Kampfpanzer, Luftabwehrtechnik) ebenso wie Finanzhilfen und humanitäre Beiträge. Kanada hat ukrainische Soldaten ausgebildet und gewährt der Regierung in Kiew günstige Kredite. Premierminister Justin Trudeau kündigte im Juni 2023 weitere 500 Millionen CAN$ Militärhilfe an und hat ein mehrjähriges Hilfsprogramm aufgelegt. Angesichts seiner kleineren Armee kann Kanada zwar nicht annähernd in US-Dimensionen liefern, aber es könnte seine finanzielle Unterstützung noch aufstocken. Politisch ist die Rückendeckung über Parteien hinweg in Kanada hoch.

Japan: Japan engagiert sich vor allem finanziell und humanitär. Als Mitglied der G7 hat Tokio seit Kriegsbeginn Hilfen von über 7 Milliarden US-Dollar zugesagt. Darunter fallen umfangreiche Budgethilfen (allein 2023 über 5 Mrd. $ Kreditunterstützung), humanitäre Leistungen und Ausrüstungsgegenstände (z.B. Fahrzeuge, Schutzwesten, Generatoren). Aufgrund seiner pazifistischen Nachkriegsverfassung liefert Japan keine Offensivwaffen, doch wurde für die Ukraine erstmals die Lieferung von militärischen Ausrüstungen wie Helmen, Schutzwesten und sogar einigen nicht-letalen Fahrzeugen erlaubt – ein Novum in Japans Sicherheitsdoktrin. Japan könnte seine finanzielle Hilfe weiter erhöhen; die Regierung Kishida hat deutlich gemacht, dass der russische Angriff auf die Ukraine auch ein Präzedenzfall für asiatische Sicherheitsfragen (Stichwort Taiwan) ist und man daher Kiew unterstützen muss. Allerdings stößt Japan bei Waffenlieferungen an verfassungsrechtliche Grenzen, weshalb vor allem monetäre Unterstützung ausgeweitet würde.

Australien: Das Land am anderen Ende der Welt ist einer der größten nicht-nordatlantischen Waffenlieferanten an die Ukraine. Bis Mitte 2023 hat Australien insgesamt rund 1,3 Milliarden US-Dollar Unterstützung zugesagt, davon etwa 1,1 Mrd. $ militärisch. Berühmt geworden sind die australischen Bushmaster-gepanzerten Fahrzeuge, die ukrainische Soldaten für den Truppentransport nutzen. Daneben liefert Canberra Artilleriemunition, Drohnen, leichte Geschütze und stellt humanitäre Hilfe bereit. Politisch steht sowohl die frühere konservative als auch die aktuelle Labor-Regierung fest an der Seite der Ukraine. Australien könnte seine Hilfen weiter ausbauen, ist aber durch die eigene regionale Sicherheitslage (China) begrenzt in der Ablenkung von Ressourcen. Dennoch hat Premierminister Albanese klargemacht, dass die Unterstützung für die Ukraine Teil der Verteidigung der regelbasierten internationalen Ordnung ist – ein Anliegen, das Australiens Interesse tangiert.

Weitere Länder: Norwegen (kein EU-Mitglied) hat als wohlhabender Energie-Exporteur ein großzügiges Hilfsprogramm aufgesetzt: Über fünf Jahre will Oslo umgerechnet 7,3 Mrd. $ an zivilen und militärischen Hilfen leisten – pro Kopf gehört Norwegens Beitrag zu den größten weltweit. Schweiz bleibt zwar militärisch neutral, hilft aber humanitär und finanziell und beteiligte sich an Sanktionen gegen Russland. Türkei liefert bewaffnete Drohnen (die berühmten Bayraktar TB2) und agiert diplomatisch als Vermittler, hält sich aber militärisch sonst zurück und pflegt parallel Beziehungen zu Moskau. Südkorea hat der Ukraine keine direkten Waffen geliefert (aufgrund eigener Konflikte mit Nordkorea und einer zurückhaltenden Politik), aber durch den Verkauf von Panzern und Munition an die USA und Polen indirekt dazu beigetragen, westliche Bestände für die Ukraine zu ergänzen. Israel verhält sich zurückhaltend wegen Russlands Rolle in Syrien, liefert aber einige humanitäre Güter und defensive Ausrüstung (z.B. Warnsysteme gegen Drohnen).

Potenzial für Ausbau der Hilfe: Einige dieser Partner könnten ihr Engagement noch erhöhen. Kanada hat bereits bis 2027 Hilfen zugesagt und könnte – abgestimmt mit den USA – weitere Militärgüter schicken (beispielsweise mehr Artillerie oder älteres Fluggerät). Japan könnte seine finanzielle Unterstützung weiter hochfahren; es wird auch diskutiert, ob Japan künftig defensive militärische Güter in größerem Umfang liefern könnte, da es seine Rüstungsbeschränkungen allmählich lockert. Australien prüft, weitere Fahrzeuge und möglicherweise auch Geschütze abzugeben; kürzlich kündigte es sein bisher größtes Militärhilfepaket an. Auch Südkorea steht unter westlichem Druck, zumindest indirekt (über Drittstaaten) mehr Munition bereitzustellen – hier wäre Luft nach oben, da die südkoreanische Rüstungsindustrie sehr leistungsfähig ist. Zudem könnten internationale Finanzinstitutionen (Weltbank, IWF) und reiche Golfstaaten eine größere Rolle beim Wiederaufbau oder der Finanzierung spielen, falls westliche Mittel knapper werden. Bisher haben sich z.B. Katar und Saudi-Arabien nur mit kleineren Beträgen engagiert, könnten aber aus geopolitischem Kalkül (Abgrenzung zu Russland und China) ihre Beiträge erhöhen.

Wichtig ist: Keiner dieser Akteure allein kann die Lücke schließen, sollte ein großer Geber wie die USA ausfallen. Aber in Summe trägt die Unterstützung aus dem erweiterten globalen Kreis dazu bei, Kiews Widerstand zu ermöglichen. Beispielsweise summieren sich die Hilfen von Kanada, Japan, Australien und Norwegen zusammengenommen ebenfalls auf einen zweistelligen Milliardenbetrag. Diese breite Koalition zeigt Russland, dass die Empörung über den Angriffskrieg weltweit geteilt wird. Zugleich ist sie ein Signal an Washington: Falls die USA sich zurückziehen, stehen andere bereit, zumindest teilweise einzuspringen – wenn auch wohl nicht im gleichen Ausmaß.

4. Trumps Ziele und Strategien

Die Konfrontation zwischen Trump und Selenskyj im Oval Office wirft ein Schlaglicht auf die politischen Motive des ehemaligen und nun wieder amtierenden US-Präsidenten Donald Trump. Warum eskalierte Trump derart gegenüber dem ukrainischen Präsidenten? Und war dies bloß impulsiv oder Teil einer Strategie? Ebenso relevant ist, wie Trumps Haltung die republikanische Partei und den US-Kongress beeinflusst.

Politische Motive hinter Trumps Eskalation: Beobachter sehen zwei mögliche Erklärungen für Trumps öffentliches Ausrasten gegenüber Selenskyj. Der Politikwissenschaftler Thomas Greven meint, entweder habe man einen Blick auf den „unbeherrschten und herrischen Trump“ erhascht – also einen Wutausbruch aus persönlichem Temperament. Oder aber es handelte sich um einen „kalkulierten Schachzug“, um das Ende der Unterstützung für die Ukraine begründen zu können. Vieles spricht laut Greven für Letzteres: Die Szene im Oval Office wirkte wie ein „orchestriertes Spektakel“, in dem Trump gemeinsam mit seinem Vizepräsidenten J.D. Vance Selenskyj bewusst vorgeführt habe. Tatsächlich mischte sich Vizepräsident Vance ungewöhnlich stark ein, was auf eine abgestimmte Aktion hindeutet. Trump warf Selenskyj Undankbarkeit vor und beschuldigte ihn, den dritten Weltkrieg zu riskieren. Schließlich drohte er vor laufenden Kameras: „Sie werden entweder einen Deal machen oder wir sind raus!“. Dieses Ultimatum – entweder Frieden nach Trumps Vorstellungen oder der Komplett-Entzug der US-Hilfe – zeigt klar Trumps Ziel: Einen schnellen „Deal“ erzwingen. Trump möchte sich offenbar als Macher präsentieren, der imstande ist, den Krieg rasch zu beenden, wo – in seiner Darstellung – die Ukrainer selbst „unnötig“ weiterkämpfen. Berichten zufolge plante Trump ein Abkommen, bei dem die USA Zugang zu ukrainischen Rohstoffen (wie Lithium, Titan und Seltenen Erden) erhalten, während im Gegenzug ein Teil der Einnahmen in einen Wiederaufbaufonds fließt. Sicherheitssgarantien für die Ukraine fehlten in diesem Entwurf jedoch, was Selenskyj kritisierte. Trump ging es bei diesem „Rohstoff-Deal“ offenbar darum, einen wirtschaftlichen Vorteil für die USA herauszuholen und gleichzeitig zu zeigen, dass er im Gegensatz zu seinem Vorgänger Biden keine „Blankoschecks“ verteilt, sondern knallhart amerikanische Interessen durchsetzt. Ein weiterer Beweggrund dürfte innenpolitischer Natur sein: Trumps „America First“-Klientel steht Auslandshilfen skeptisch gegenüber. Indem er Selenskyj als undankbar darstellte und einen Stopp der Hilfe in Aussicht stellte, bediente Trump Stimmungen in Teilen seiner Wählerschaft, die lieber Geld für Probleme zu Hause ausgegeben sähen als für einen Krieg in Europa. Schließlich spielt auch Trumps Haltung zu Russland eine Rolle. Er hat wiederholt signalisiert, eher auf Verhandlungen mit Putin zu setzen und die Gefahr durch Russland geringer einzuschätzen als die durch einen langen Krieg. Manche Kritiker – wie Historiker Timothy Snyder – unterstellen Trump gar, er hofiere Putin und demütige stattdessen einen Verbündeten. Indem Trump gegenüber Selenskyj Härte zeigt, will er womöglich zugleich Putin signalisieren, dass er offen für einen Deal ist, der auch russischen Interessen Rechnung trägt (z.B. territorialen Zugewinnen Russlands).

Taktischer Zug oder emotionaler Ausbruch? Die Frage, ob Trumps Ausraster geplant oder spontan war, lässt sich nicht mit letzter Gewissheit beantworten. Thomas Greven hält die Inszenierung für wahrscheinlich geplant, eben um einen Grund zu haben, die Ukraine-Hilfe zu kappen. Dafür spricht auch, dass Trump unmittelbar danach konkrete Schritte einleitete, z.B. Pläne zur Einstellung weiterer Militärhilfen durchsickerten. Die Washington Post berichtete, die USA könnten Lieferungen von Radargeräten, Fahrzeugen, Munition und Raketen im Wert von mehreren Milliarden Dollar aussetzen – als direkte Konsequenz der „wahrgenommenen Kompromisslosigkeit“ Selenskyjs. Das deutet klar auf einen Vorwand hin: Trump stellt Selenskyj als starrsinnig dar, um selbst den Kurswechsel zu rechtfertigen. Gleichwohl sollte man Trumps Impulsivität nicht unterschätzen. Seine Vergangenheit ist voller unberechenbarer Aussagen und Wutausbrüche. Es ist denkbar, dass er sich von Selenskyjs Auftritt persönlich provoziert fühlte – Berichten zufolge verschränkte Selenskyj demonstrativ die Arme und weigerte sich, sich zu entschuldigen. Diese Geste könnte Trumps Zorn zusätzlich entfacht haben. Einige meinen, Trump habe geglaubt, Selenskyj würde klein beigeben, und als dieser stattdessen selbstbewusst blieb, sei Trump die Beherrschung entglitten. Schlussendlich dürfte es eine Mischung gewesen sein: Trump nutzte seine cholerische Art gezielt, um eine Botschaft zu senden. Im Sinne von „Eskalation zur Deeskalation“ setzte er auf maximalen Druck in der Hoffnung, Kiew gefügig zu machen – ein riskanter Ansatz, der jedoch auch außer Kontrolle geraten kann.

Einfluss auf die republikanische Partei und den Kongress: Trumps harte Linie hat die Republikaner zum Großteil hinter sich geschart. Zahlreiche republikanische Politiker feierten Trump nach dem Eklat öffentlich dafür, gegenüber Selenskyj Stärke gezeigt zu haben. In rechten Medien und auf Plattformen wie X (Twitter) fanden sich vielfach Kommentare, endlich sage ein US-Präsident dem ukrainischen Präsidenten die Meinung. Selbst normalerweise gemäßigte oder außenpolitisch erfahrene Republikaner stellten sich zumindest teilweise hinter Trump. So kritisierte der republikanische Senator Lindsey Graham – der früher für harte Unterstützung der Ukraine eintrat – nun Selenskyj scharf: Dieser habe sich im Oval Office respektlos verhalten, „ich weiß nicht, ob wir je wieder mit Selenskyj verhandeln können“, so Graham. Diese Aussage zeigt, wie stark Trumps Narrativ in der Partei verfängt – sogar Traditionalisten wie Graham zweifeln nun an Kiews Führung. Allerdings gibt es auch mahnende Stimmen im republikanischen Lager: Der Abgeordnete Mike Lawler etwa betonte, man müsse die Beziehungen zur Ukraine „retten“, ein Scheitern wäre „katastrophal für Europa und die freie Welt“. Doch solche gemäßigten Töne blieben rar und fanden innerhalb der trumpisch geprägten Republikanischen Partei wenig Widerhall.

Im US-Kongress hat sich durch Trumps Positionierung die Pattsituation bei Ukraine-Hilfen verschärft. Bereits 2023 blockierten Trump-treue Republikaner weitere Hilfspakete im Repräsentantenhaus, so dass im gesamten Jahr 2023 keine neuen US-Mittel für Kiew mehr bewilligt wurden. Demokraten sind zwar nahezu geschlossen für die Unterstützung der Ukraine, doch mit einer republikanischen Mehrheit im House und genügend Trump-Anhängern im Senat kann die Legislative zusätzliche Hilfen verzögern oder verhindern. Trumps öffentliches Signal, die Ukraine-Hilfe infrage zu stellen, bestärkt die Hardliner in seiner Partei. Für Abgeordnete, die um ihre Vorwahlen bangen, ist es nun riskant, sich für neue Hilfen auszusprechen – sie könnten von Trump nahestehenden Herausforderern attackiert werden. So dürfte Trumps Haltung einen Kühlungseffekt auf den Kongress haben: selbst wenn das Weiße Haus theoretisch noch Hilfen genehmigen könnte, fehlt der politische Wille, dies durch den Kongress zu bringen. Die republikanische Führung folgt im Wesentlichen Trumps Kurs. Greven stellt fest, dass der Widerstand gegen Trumps Ukraine-Politik in den USA hauptsächlich aus anderen Gründen kommt (etwa wegen Inflation), „nicht wegen dem Ukraine-Krieg“. Das bedeutet: Viele Amerikaner verfolgen die internationalen Implikationen nicht genau genug, um sich daran zu stören. Die Unterstützung der Ukraine ist wegen der Kosten umstritten – und Trump nutzt das, um innenpolitisch zu punkten. Für die Republikanische Partei insgesamt bedeutet Trumps Kurs einen weiteren Schritt weg von der traditionell transatlantisch orientierten Außenpolitik hin zu einem nationalistischen Isolationismus. Sollte Trump diesen Kurs halten, wird die Partei die Ukraine wohl als „nicht unser Krieg“ darstellen und eher auf eine Übereinkunft mit Putin drängen, als Kiew langfristig zu unterstützen.

Zusammenfassend hat Trump mit seiner Eskalation vermutlich strategisch zweierlei erreicht: Er schuf einen Vorwand, um die US-Hilfe zu reduzieren, und er festigte seine Kontrolle über die republikanische Partei in dieser Frage. Allerdings um den Preis einer schweren Belastung der transatlantischen Beziehungen und potentiell auch der Interessen der USA selbst – ein Punkt, den Kritiker in beiden Parteien hervorheben.

5. Die Rolle Selenskyjs

Angesichts der Spannungen stellt sich die Frage, welche Entscheidungen oder Vorgehensweisen von Präsident Wolodymyr Selenskyj eventuell zu der Verstimmung mit Washington beigetragen haben. Hat Selenskyj Fehler gemacht, oder war sein Handeln angesichts der Lage alternativlos?

Ursachen der Spannungen aus US-Sicht: Donald Trump hat Selenskyj in den vergangenen Wochen mehrfach scharf kritisiert. Er warf ihm vor, den Krieg unnötig in die Länge zu ziehen, nicht genug für Frieden zu tun und sogar, ein „Diktator“ zu sein, da in der Ukraine keine Wahlen stattfänden. Aus Trumps Perspektive – die auch einige Republikaner teilen – hätte Selenskyj möglicherweise früher verhandeln oder Zugeständnisse machen sollen, anstatt auf einen vollständigen militärischen Sieg zu beharren. Zudem störte man sich in Washington offenbar daran, dass Selenskyj Bedingungen stellte: So bestand die ukrainische Führung beim verhandelten Rohstoffabkommen darauf, Sicherheitsgarantien von den USA zu erhalten, bevor man sich auf einen Deal einlässt. Selenskyj machte deutlich, ein Abkommen, das lediglich wirtschaftliche Aspekte regelt, reiche nicht aus, um Friedensgespräche mit Russland aufzunehmen – nötig seien belastbare US-Garantien für die ukrainische Sicherheit. Diese als „Kompromisslosigkeit“ wahrgenommene Haltung hat Trump und sein Team verärgert. Mit anderen Worten: Aus Sicht der neuen US-Regierung fordert Selenskyj immer mehr (Waffen, Geld, Garantien), ohne seinerseits flexibel genug zu sein, etwa in Richtung eines Waffenstillstands.

Weiterhin wurden Selenskyj Äußerungen kritisiert, in denen er – indirekt – Trump widersprochen hat. Nachdem Trump Selenskyj als „undankbar“ und als mitverantwortlich für den Krieg bezeichnete, sah sich der ukrainische Präsident gezwungen zu reagieren. Er wehrte sich öffentlich gegen Trumps Vorwürfe, wenngleich vorsichtig. In einer Videoansprache betonte Selenskyj, die Ukraine wolle seit der ersten Sekunde diesen Krieg beenden, und widersprach damit der Behauptung, die ukrainische Führung habe den Krieg begonnen oder wolle ihn verlängern. Zwar nannte er Trump nicht direkt, doch die Adressaten waren klar. Trump wiederum provozierte weiter – etwa indem er Selenskyj erneut als „Diktator ohne Wahlen“ schalt und ihm vorhielt, er solle „schnell handeln, sonst hat er kein Land mehr“. Solche Äußerungen Trumps zielten auf Selenskyjs Entscheidung, keine Präsidentschaftswahlen während des Krieges abzuhalten. Selenskyj berief sich hierbei auf die ukrainische Verfassung: Unter Kriegsrecht können keine regulären Wahlen stattfinden. Diese Regel ist international durchaus üblich und nachvollziehbar – auch in westlichen Demokratien würde man in einem solchen Extremszenario keine Wahl riskieren. Dennoch nutzte Trump dies, um Selenskyj demokratische Legitimation abzusprechen. Selenskyj sieht sich also dem Vorwurf ausgesetzt, sich an die Macht zu klammern. In der Sache hat er hierbei kaum Spielraum: Eine Wahl während täglicher Bombenangriffe und wo Millionen Ukrainer vertrieben oder im Kampf sind, wäre praktisch und rechtlich kaum durchführbar. Westliche Verbündete wie Bundeskanzler Scholz sprangen Selenskyj denn auch bei und nannten Trumps Aussagen „falsch und gefährlich“ – Selenskyj sei natürlich legitimiert, und „mitten im Krieg können keine ordentlichen Wahlen abgehalten werden“.

Selenskyjs Vorgehen – Fehler oder alternativlos? Aus ukrainischer Sicht war Selenskyjs Haltung weitgehend alternativlos. Sein oberstes Mandat als Präsident ist es, die territoriale Integrität und Souveränität seines Landes zu verteidigen. Ein Friede um jeden Preis – etwa durch Gebietsabtretungen an Russland oder ein Nachgeben ohne Sicherheitsgarantien – käme einem Verrat an der Ukraine gleich und würde vermutlich auch von der ukrainischen Bevölkerung nicht akzeptiert. Selenskyj steht innenpolitisch unter Druck von Teilen der Gesellschaft und Armee, die keinerlei Kompromisse mit Moskau wünschen, nachdem Russland so viel Zerstörung und Leid über das Land gebracht hat. Jede Schwäche könnte von Putin ausgenutzt werden. Daher betont Selenskyj stets, er könne seine „Haltung gegenüber Russland nicht ändern“, solange Russland aggressiv ukrainisches Gebiet besetzt. Sein Forderungskatalog – Rückzug Russlands, Sicherheitsgarantien, gerechtfertigter Frieden – ist aus Sicht Kiews das Minimum für eine nachhaltige Lösung. Wenn Trump dies als Sturheit auslegt, liegt darin eine grundsätzliche Diskrepanz: Für die Ukraine geht es um’s Überleben als Nation, während Trump offenbar bereit wäre, Ukraines Interessen zugunsten eines schnellen Deals hintanzustellen.

Dennoch könnte man fragen, ob Selenskyj diplomatisch klüger hätte agieren können, um den Bruch mit Washington zu vermeiden. Manche Beobachter meinen, er hätte Trumps Ego stärker besänftigen müssen – etwa mehr Dank und Entgegenkommen zeigen – um so die Beziehung zu retten. Tatsächlich war Selenskyj nach dem Eklat um Schadensbegrenzung bemüht: Er „legte im Streit mit den USA nicht nochmal nach“, sondern betonte weiter sein Interesse an guten Beziehungen zu Washington. Unmittelbar nach dem Eklat verließ Selenskyj zwar verärgert das Weiße Haus, gab aber noch dem Trump-freundlichen Sender Fox News ein Interview und versuchte, die Wogen zu glätten. Er vermied direkte persönliche Angriffe auf Trump und versicherte, die Ukraine bleibe den USA dankbar für jede Hilfe. Diese besonnene Reaktion zeigt, dass Selenskyj sehr wohl den Wert der US-Unterstützung erkennt und nicht leichtfertig riskieren will. Doch er kann kaum von seinen Kernpositionen abrücken: Hätte er etwa im Oval Office Trumps Forderung nach einem „Deal“ ohne echte Sicherheitsgarantien zugestimmt, hätte er seine Landesverteidigung kompromittiert. Ebenso würde ein Einlenken bei Trumps Kritik an ausbleibenden Wahlen das russische Narrativ stärken, die Ukraine sei undemokratisch.

Insgesamt sind die Spannungen also weniger auf Fehler im klassischen Sinne zurückzuführen als auf einen Interessenkonflikt und Missverständnisse. Selenskyj muss einerseits maximal für sein Land herausholen, andererseits die Unterstützer nicht vergraulen. Hier einen Balanceakt zu schaffen, ist extrem schwierig. Möglicherweise hätte Selenskyj die Inszenierung im Oval Office antizipieren können – es gab im Vorfeld Hinweise, dass Trump das Treffen als Bühne nutzen würde. Einige Experten rieten Kiew, nicht mit überzogenen Erwartungen nach Washington zu reisen und etwaige Abmachungen (wie den Rohstofffonds) als Erfolg zu präsentieren, um Trump etwas zu geben, das er als Sieg verbuchen kann. Selenskyj hat Trump ja ein Zugeständnis angeboten: Die Hälfte der Erlöse aus ukrainischen Bodenschätzen sollte in einen gemeinsamen Fonds mit den USA fließen. Das ist kein kleines Entgegenkommen. Doch ohne die ersehnten Sicherheitsgarantien konnte Selenskyj nicht weiter nachgeben. Im Nachhinein mag diskutiert werden, ob er zumindest rhetorisch geschickter hätte auftreten können – etwa anstatt die Arme zu verschränken, mehr Verständnis für Trumps Position heucheln. Aber das sind taktische Finessen. Strategisch hatte Selenskyj keine Alternative, als für maximale Unterstützung und echte Sicherheitszusagen zu kämpfen. Würde er dies nicht tun, käme das einer Preisgabe seines Landes gleich.

Kurzum: Selenskyj agiert in einer Zwickmühle. Seine Hauptaufgabe ist die erfolgreiche Abwehr der Invasion – darin hat er kaum etwas falsch gemacht, denn er mobilisierte sein Volk, hielt die internationale Koalition zusammen und erzielte beachtliche Erfolge gegen Russland. Die aktuelle Verstimmung mit den USA ist eher ein Produkt innenpolitischer Dynamiken in Washington als von Fehlern in Kiew. Dennoch wird Selenskyj nun verstärkt darauf achten müssen, Europa als Anker seiner Außenpolitik zu sichern , solange das Verhältnis zu Trump schwierig bleibt.

6. Mögliche diplomatische und wirtschaftliche Zugeständnisse

Angesichts der brüchigen Unterstützung aus den USA stellt sich die Frage, ob Europa oder die Ukraine bestimmte Zugeständnisse machen müssen – entweder um die USA bei der Stange zu halten oder um überhaupt eine realistische Chance auf Frieden mit Russland zu haben. Welche Kompromisse wären denkbar, und was wären deren Konsequenzen?

Zugeständnisse an die USA: Ein naheliegendes Zugeständnis Europas an Washington besteht darin, einen größeren Teil der Last im Ukraine-Krieg selbst zu schultern. Das bedeutet konkret: Europa müsste seine Finanzbeiträge deutlich erhöhen und auch militärisch mehr liefern, damit die USA entlastet werden. De facto passiert dies bereits – wie oben beschrieben, stocken EU-Staaten ihre Hilfen auf . Dies käme Trumps Forderung nach „fairer Lastenteilung“ entgegen. Allerdings ist fraglich, ob das Trump genug wäre. Trump will Ergebnisse, kein endloses Engagement. Daher könnte ein weitergehendes Zugeständnis erforderlich sein: etwa dass Europa Druck auf Selenskyj ausübt, einen Verhandlungsfrieden ins Auge zu fassen. Sollte Europa – zähneknirschend – Selenskyj nahelegen, Kompromisse zu erwägen, wäre dies ein erhebliches politisches Entgegenkommen Richtung Trump (und Putin). Bislang betonen die Europäer öffentlich, dass „niemand den Frieden mehr will als die Ukrainer selbst“ und dass man Kiew nicht zu Verhandlungen drängen werde, bevor nicht Russland seine Aggression stoppt. Doch hinter den Kulissen könnten einzelne europäische Hauptstädte im Falle eines völligen US-Rückzugs durchaus versuchen, Selenskyj zu einer realpolitischen Lösung zu bewegen, um das Schlimmste zu verhindern.

Ein konkretes Zugeständnis war bereits in Arbeit: das erwähnte Rohstoff-Abkommen. Europa könnte dieses Modell unterstützen oder ausbauen, um die Amerikaner zu besänftigen. Die Ukraine ist reich an wichtigen Mineralien (Lithium, Seltene Erden, Titan etc.), die für Hightech und Rüstung entscheidend sind. Ein Deal „Rohstoffe gegen Sicherheit“ wurde skizziert, bei dem Kiew seine Bodenschätze gemeinsam mit den USA ausbeutet und einen Großteil der Einnahmen an einen Fonds (mit Beteiligung westlicher Unternehmen) abführt. Im Gegenzug sollte die Ukraine langfristige Unterstützung und – implizit – eine Art Schutz erhalten. Selenskyj hat signalisiert, im Prinzip bereit zu sein, die Schätze seines Landes zu teilen, wenn er dafür Sicherheitsgarantien bekommt. Ein Zugeständnis an die USA könnte sein, hier noch weiterzugehen: etwa US-Firmen bevorzugten Zugang zum Wiederaufbau der Ukraine zu geben, umfangreiche Investitionsmöglichkeiten einzuräumen oder rechtlich festzuschreiben, dass ein Teil künftiger Profite aus ukrainischem Bergbau an die USA geht. Dies würde Trump gegenüber seiner Wählerschaft erlauben zu sagen: „Wir bekommen etwas für unser Geld.“ Die Konsequenz wäre allerdings, dass die Ukraine wirtschaftlich ein Stück Souveränität aufgibt und sich in eine gewisse Abhängigkeit von US-Konzernen begibt. Solche Arrangements bergen zudem Korruptionsrisiken und könnten in der ukrainischen Öffentlichkeit auf Widerstand stoßen, wenn es als Ausverkauf nationaler Ressourcen empfunden wird.

Zugeständnisse an Russland: Die heikelste Frage ist, ob die Ukraine (und der Westen) am Ende territoriale oder politische Kompromisse mit Russland eingehen müssen, um Frieden zu erreichen. Selenskyj hat bislang kategorisch ausgeschlossen, ukrainisches Territorium aufzugeben – insbesondere nicht die Gebiete, die seit 2022 erobert wurden, und perspektivisch auch nicht die Krim. Westliche Staaten bekräftigen öffentlich, dass über das Schicksal ukrainischen Territoriums die Ukrainer selbst entscheiden müssen. Doch sollte die militärische Lage festgefahren bleiben und die Unterstützung schwinden, könnten manche in Europa versucht sein, Druck in Richtung eines Waffenstillstands auszuüben, auch wenn er eine De-facto-Abtretung besetzter Gebiete an Russland bedeutet. Ein oft diskutiertes Szenario ist ein Einfrieren der Frontlinien (z.B. entlang der aktuellen Positionen) und die Ausrufung eines Waffenstillstands ohne umfassendes Friedensabkommen. Die Ukraine würde die Gebiete, die Russland derzeit hält, vorerst nicht zurückbekommen, aber die Kampfhandlungen würden aufhören. Im Gegenzug könnte Russland zusichern, weitere Angriffe zu unterlassen. Dies käme einer Einfrierung des Konflikts gleich – ähnlich wie auf der koreanischen Halbinsel seit 1953. Die Folgen wären tiefgreifend: Millionen Ukrainer blieben unter russischer Besatzung zurück, enorme Zerstörungen vor allem im Osten müssten ohne Klarheit über die politische Zukunft der Regionen bewältigt werden, und Russland hätte sein Kriegsziel teilweise erreicht (Landgewinn, Landbrücke zur Krim). Zudem bestünde die Gefahr, dass Moskau diesen „erzwungenen Frieden“ nur als Verschnaufpause nutzt, um später erneut zuzuschlagen, wenn die Ukraine nicht mehr mit voller westlicher Unterstützung rechnen kann.

Dennoch wird dieses Szenario in Washington und einigen europäischen Hauptstädten hinter vorgehaltener Hand erwogen: Wäre ein schlechter Frieden besser als ein endloser Krieg? Trump selbst hat angedeutet, er fände einen Kompromiss denkbar, bei dem Russland „ein paar Gebiete behält“ und dafür der Krieg endet. Auch einige von Trumps Beratern, wie General Keith Kellogg, skizzierten Pläne, die auf einem Waffenstillstand entlang der aktuellen Front und späteren Verhandlungen beruhen. Ein solcher Plan käme faktisch russischen Forderungen entgegen und würde von der Ukraine enorme Zugeständnisse verlangen – im Grunde die Aufgabe des Ziels, die volle Souveränität wiederherzustellen. Europa würde einen solchen Deal mehrheitlich äußerst kritisch sehen. Insbesondere Länder Osteuropas (Polen, Balten) warnen, jede Belohnung russischer Aggression (sei es durch Landgewinne oder auch nur durch Straffreiheit für Kriegsverbrechen) würde langfristig die Sicherheit Europas untergraben. Trotzdem könnte der Druck wachsen, zumindest ein Zwischenabkommen zu schließen, falls der Krieg militärisch festgefahren bleibt und gleichzeitig die Ukraine finanziell am Limit ist. Ein mögliches diplomatisches Zugeständnis der Ukraine wäre z.B., auf die Forderung nach NATO-Mitgliedschaft vorerst zu verzichten oder einen neutralen Status zu akzeptieren, solange internationale Garantien ihre Sicherheit schützen. Selenskyj hat bereits früher signalisiert, dass er über Neutralität reden würde, wenn echte Sicherheitsgarantien geboten werden – allerdings sind nach den Erfahrungen des Februars 2022 (als Russland trotz Budapester Memorandum angriff) die Hürden hoch. Ebenso könnte Kiew anbieten, Streitpunkte wie den Status der Krim auf einige Jahre „einzufrieren“ und darüber erst später zu verhandeln, um jetzt einen Waffenstillstand zu erreichen.

Muss Europa Zugeständnisse an Russland machen? Direkt wohl kaum – Europa wird seine Sanktionen und die politische Isolation Russlands nicht einfach aufheben, solange keine akzeptable Friedenslösung vorliegt. Allerdings könnte Europa perspektivisch in Verhandlungen treten über eine neue europäische Sicherheitsordnung, die auch Russlands Interessen berücksichtigt. Das könnte etwa Gespräche über Rüstungskontrolle, Truppenstationierungen in Osteuropa oder ähnliches einschließen. Solche Verhandlungen wären indirekt ein Eingeständnis, dass man mit Putin wieder ins Geschäft käme, was vor allem osteuropäische EU-Staaten vehement ablehnen.

Mögliche Kompromisse und Konsequenzen: Alle diese Szenarien – ob Zugeständnisse an die USA oder an Russland – sind mit gravierenden Konsequenzen behaftet. Zugeständnisse an die USA (wie wirtschaftliche Vorteile, politische Druck auf Kiew) könnten zwar kurzfristig Trumps Laune verbessern und vielleicht weitere Hilfe sichern, unterminieren aber die moralische Glaubwürdigkeit des Westens in diesem Konflikt. Wenn etwa Europa Selenskyj zu Verhandlungen drängt, riskiert man, die bisher vorbildliche Einheit gegenüber Aggressor Russland zu schwächen – „jede Spaltung des Westens macht uns alle schwächer und begünstigt jene, die den Untergang unserer Zivilisation herbeiführen wollen“, warnte Italiens Premierministerin Giorgia Meloni und schlug deshalb einen transatlantischen Gipfel zur Klärung der Differenzen vor. Die Europäer sind sich bewusst, dass ein Bruch zwischen den USA und Europa letztlich nur Moskau nützt. Daher versucht Europa, diplomatisch zu vermitteln – so ein Vorschlag Melonis – um Trump vielleicht auf anderem Wege einzubinden, ohne fundamentale Werte preiszugeben.

Zugeständnisse an Russland – insbesondere territoriale – hätten wohl die weitreichendsten Konsequenzen. Sie würden das Prinzip verletzen, dass Grenzen nicht mit Gewalt verschoben werden dürfen, und einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen. Aggressoren weltweit könnten ermutigt werden, ähnliches zu versuchen, in der Erwartung, dass die internationale Gemeinschaft irgendwann nachgibt. Für die Ukraine selbst wäre ein erzwungener Verlust von Land undenkbar schwer zu akzeptieren; es könnte innenpolitisch zu Instabilität, Frustration beim Militär oder gar Widerstand gegen die eigene Regierung führen. Viele Ukrainer sehen den Kampf mittlerweile auch als Kampf für die Freiheit Europas – ein Abbruch ohne klares Ergebnis würde dieses Narrativ zerstören und möglicherweise extreme Kräfte stärken.

Insgesamt erscheint es aus europäischer Sicht kaum wünschenswert, entweder den USA oder Russland substanzielle Zugeständnisse zu machen, die den grundlegenden Prinzipien widersprechen. Im Idealfall schaffen es Europa und die verbleibenden Verbündeten, die Ukraine weiter so zu unterstützen, dass sie in eine günstige Verhandlungsposition kommt, ohne dass man ihr etwas aufzwingt. Die Realität könnte aber Kompromisse notwendig machen – diese sollten dann so gestaltet sein, dass sie einen wirklichen Frieden ermöglichen, nicht nur eine Pause zum Luftholen für den Aggressor.

7. Zukunftsprognosen

Wie könnte sich die Ukraine-Politik der USA und Europas in den kommenden Jahren entwickeln? Experten zeichnen unterschiedliche Szenarien, je nachdem, ob der jetzige Kurs korrigiert wird oder sich verfestigt.

Kurzfristig (nächste 1–2 Jahre): Unter der Präsidentschaft von Donald Trump ist zu erwarten, dass die USA keine neuen Hilfspakete für die Ukraine mehr schnüren, abgesehen von möglicherweise restriktiv zweckgebundenen Leistungen. Sollte der Eklat von Washington nicht bereinigt werden, könnte bereits in den kommenden Monaten ein vollständiger Stopp der US-Militärhilfe Realität werden. Die letzte vom Kongress bewilligte Tranche an Waffen wird dann ausgelaufen sein. Trump könnte versuchen, seine angekündigten Verhandlungen mit Russland voranzutreiben – vermutlich über seinen Sondergesandten (Ex-General Keith Kellogg) oder andere Mittelsmänner. Ein mögliches Ergebnis binnen der nächsten zwei Jahre wäre ein Waffenstillstandsabkommen. Laut Medienberichten erwägen Trumps Berater einen Plan, bei dem die Ukraine auf eine NATO-Perspektive verzichtet und einem sofortigen Waffenstillstand auf Basis der aktuellen Frontlinien zustimmt. In einem zweiten Schritt könnte es dann Friedensverhandlungen geben, die aber Jahre dauern könnten. Für die Ukraine wären solche erzwungenen Verhandlungen riskant, doch Selenskyj stünde vor der Wahl, entweder ohne US-Hilfe weiterzukämpfen oder einen unvollkommenen Frieden zu akzeptieren. Da ein vollständiger Sieg ohne die USA kaum realistisch ist, könnte Kiew sich zähneknirschend auf Gespräche einlassen – allerdings wohl erst, nachdem es mit europäischen Partnern seine Mindestbedingungen abgestimmt hat.

Europas Haltung in nächster Zeit wird vermutlich das genaue Gegenteil von Trumps Kurs sein: Die EU und einzelne europäische Staaten werden ihre Unterstützung verstetigen oder sogar ausbauen, um ein Signal der Verlässlichkeit zu senden. Wie der St. Galler Konfliktforscher Schmid erwartet, werden die Europäer nun „ihre Ukrainehilfen verstärken“, gerade weil ihnen klar ist, dass ein russischer Sieg unabsehbare Folgen hätte. Konkret dürften also 2024 und 2025 mehr europäische Panzer, Geschütze, Munition und Gelder fließen. Die Produktion der Rüstungsindustrie wird anziehen, auch dank EU-Fördergeldern. Politisch wird Europa versuchen, geschlossen aufzutreten: Im Eklat nach Trumps Ausbruch stellten sich alle wichtigen europäischen Führungspersönlichkeiten demonstrativ hinter Selenskyj – von Emmanuel Macron über Olaf Scholz bis hin zu Polens Premier Donald Tusk. Diese Einheit dürfte anhalten, solange der Schock über Trumps Vorgehen tief sitzt. Freilich wird Europa parallel seine Kanäle nach Washington offenhalten und versuchen, zumindest über den US-Kongress oder die Öffentlichkeit Einfluss zu nehmen. Möglicherweise setzen die Europäer stärker auf die Zusammenarbeit mit gemäßigten Republikanern und den Demokraten, um die Unterstützung für die Ukraine irgendwie zu retten. Sollte Trump innenpolitisch unter Druck geraten (etwa durch andere Skandale oder Wahlen 2026), könnten sich hier Fenster öffnen.

Mittel- bis langfristig (in den kommenden Jahren): Falls der Krieg in die Länge gezogen wird, gibt es grob zwei Hauptszenarien:

  1. Einfrierung des Konflikts und reduzierte westliche Unterstützung: In diesem Szenario gelingt es Trump, die US-Hilfe auf ein Minimum herunterzufahren, und auch in Europa lässt die Solidarität mit der Zeit nach (etwa durch Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung, wirtschaftliche Kosten oder Regierungswechsel zugunsten rechtspopulistischer, russlandfreundlicher Kräfte in einzelnen Ländern). Die Front in der Ukraine stabilisiert sich ohne großen Vorstoß einer Seite – im Grunde ein Patt. Die Ukraine hängt wirtschaftlich am Tropf der EU, die aber eher gerade so viel gibt, dass das Land nicht kollabiert. Russland behält die Kontrolle über eroberte Gebiete, ein Friedensabkommen wird immer wieder vertagt. Diese Situation könnte jahrelang andauern, vergleichbar mit dem Status Quo in der Ostukraine zwischen 2015 und 2022, nur auf größerer Fläche. Für die Ukraine wäre dies schmerzhaft, aber sie bliebe als Staat bestehen und könnte sich auf einen langfristigen Abnutzungskampf einstellen. Europa müsste sich derweil auf einen „eingefrorenen Konflikt“ an seiner Peripherie einrichten und die Kosten dafür tragen. Sicherheitsfachleute warnen, dass eine solche instabile „Friedensordnung“ latent explosiv bleibt und Russland jederzeit erneut eskalieren könnte, sollte sich die Gelegenheit bieten. Zudem wäre die transatlantische Allianz in diesem Szenario geschwächt: Thomas Greven meint sogar, unter Trump seien die USA „für das westliche Bündnis […] vorläufig verloren“ – d.h. Europa könnte nicht mehr auf Washington zählen und müsste sicherheitspolitisch autonomer werden.
  2. Neuausrichtung und Wiederannäherung des Westens: Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Lage in Washington erneut ändert. Zum einen könnten US-innenpolitische Entwicklungen eine Rolle spielen: Wenn Trumps Ukraine-Kurs etwa bei gemäßigten Republikanern oder der breiten Bevölkerung doch auf Kritik stößt – z.B. weil man erkennt, dass ein Triumph Russlands letztlich auch amerikanische Interessen bedroht – könnte der politische Druck steigen, die Unterstützung nicht vollständig aufzugeben. Senator Marco Rubio, selbst Teil der Trump-Administration, stellte rhetorisch die Frage, wer außer den USA die Kriegsparteien an den Tisch bringen könne . Das zeigt ein Bewusstsein, dass die amerikanische Führungsrolle in der Welt auf dem Spiel steht. Es ist denkbar, dass ein Teil der Republikaner Trumps harten Kurs nicht dauerhaft mitträgt, insbesondere im Senat. Sollte die Ukraine trotz verminderter Hilfe militärisch einige Erfolge erzielen (was nicht ausgeschlossen ist, etwa durch kluge Taktik oder innovative Waffensysteme), könnten auch Skeptiker in den USA einsehen, dass weitere Unterstützung einen Unterschied macht. Zudem stehen in den USA 2028 wieder Präsidentschaftswahlen an – es ist zwar weit in der Zukunft, aber ein Kurswechsel dort könnte die Lage komplett drehen. Europa seinerseits wird versuchen, die Tür für die USA offen zu halten, in der Hoffnung, dass Amerika zur Führungsrolle zurückkehrt, wenn nicht unter Trump, dann nach ihm. In diesem Szenario übersteht die Ukraine die schwierigen Trump-Jahre mit europäischer Hilfe, und ab 2029 (oder früher, falls Trumps Politik scheitert) könnte ein neuer Konsens entstehen, Russland doch entschieden entgegenzutreten.

Experteneinschätzungen: Viele Fachleute betonen, wie schwer vorhersagbar der weitere Verlauf ist, da er von politischen Entscheidungen abhängt. Klar ist jedoch, dass schnelle Lösungen unrealistisch sind. Trumps Behauptung, er könne den Krieg in 24 Stunden beenden, gilt als populistisches Versprechen – „quick solutions to the protracted conflict will prove elusive“ , wie es der Lowy-Institute in Australien formulierte. Jeder Friedensschluss muss die komplexen Realitäten berücksichtigen: die ukrainische Souveränität, russische Sicherheitsansprüche, Wiederaufbau, Gerechtigkeit für Kriegsverbrechen, etc. Ein simpler „Deal“ à la Trump – beispielsweise „Gebietsabtretung gegen Waffenstillstand“ – könnte zwar den Konflikt einfrieren, aber keinen echten dauerhaften Frieden bringen, warnen europäische Politiker. Ein EU-Abgeordneter nannte einen solchen US-Vorschlag ein „Geschenk Trumps an Putin“, das westliche Prinzipien untergrabe . Anderseits herrscht auch Konsens, dass der Krieg nicht ewig mit gleicher Intensität weitergehen kann, ohne die Ukraine zu erschöpfen. Daher erwarten einige Analysten für die nächsten Jahre eine Verhandlungslösung in Etappen: zuerst ein Waffenstillstand, dann lange zähe Gespräche über politische Lösungen, währenddessen die Ukraine schrittweise Unterstützung beim Wiederaufbau bekommt, aber militärisch auf der Hut bleiben muss.

Was bedeutet das für Europa? Europa wird sich strategisch neu aufstellen müssen, unabhängig vom genauen Szenario. Die EU diskutiert bereits, wie man langfristig Sicherheitsgarantien für die Ukraine geben kann – etwa durch eine verstärkte Militärpartnerschaft oder sogar einen eigenen EU-Beistandspakt, falls ein NATO-Beitritt auf absehbare Zeit blockiert bleibt. Zudem dürfte Europa seine Rüstungskooperation intensivieren, um schneller und effizienter auf zukünftige Krisen reagieren zu können. Der Gedanke einer größeren strategischen Autonomie erhält Auftrieb: Wenn die USA als Schutzmacht teilweise wegfallen, müssen die Europäer eigenständig handlungsfähig sein. Dazu zählen gemeinsame Rüstungsprojekte, erhöhte Verteidigungsinvestitionen und vielleicht sogar die Überlegung, ob die EU in Richtung einer Verteidigungsunion geht. Kurzfristig ist vor allem wichtig, die Einheit zu wahren und nationalistische Spaltungstendenzen zu überwinden – denn Putin spekuliert darauf, dass Demokratien mit der Zeit müde werden. Bisher hat Europa dem widersprochen: Die Reaktionen auf Trumps Eklat waren einhellig pro-ukrainisch. Sollte das so bleiben, hat die Ukraine eine Chance, auch die nächsten Jahre durchzustehen.

Zusammenfassung der Prognose: In den kommenden Jahren hängt vieles vom politischen Kurs in Washington und europäischen Hauptstädten ab. Im schlimmsten Fall sehen Experten einen schwächelnden Westen, der Russland faktisch einen Teil der Ukraine überlässt – was neue Gefahren heraufbeschwört. Im besten Fall rücken Europa und andere Verbündete enger zusammen, um die Lücke der USA zu füllen, bis Amerika wieder an Bord ist, wodurch die Ukraine letztlich ihre Souveränität bewahren kann. Realistisch könnte es auf etwas dazwischen hinauslaufen: einen holprigen Balanceakt aus militärischer Unterstützung, begrenzten Verhandlungen und dem Versuch, weder die Ukraine zu verraten noch einen Weltkrieg zu riskieren. Trumps Rückkehr hat die Karten neu gemischt und die Ungewissheit erhöht. Doch es zeigt sich auch eine Entschlossenheit aufseiten Europas, die Ukraine nicht fallen zu lassen – selbst wenn man dafür improvisieren und neue Wege gehen muss. Wie EU-Ratspräsident Charles Michel es formulierte, geht es um nicht weniger als die Glaubwürdigkeit und Wertegemeinschaft des Westens. Diese steht jetzt auf dem Prüfstand.

Letztlich wird die Ukraine-Politik in den nächsten Jahren ein Test für die transatlantische Partnerschaft und die Fähigkeit Europas sein, Verantwortung zu übernehmen. Ob die Ukraine siegt, friert oder Teile verliert, hängt wesentlich davon ab, wie USA und Europa ihr Zusammenspiel neu austarieren. Trotz aller aktuellen Spannungen bleibt zu hoffen, dass am Ende eine Lösung gefunden wird, die der Ukraine einen gerechten und dauerhaften Frieden ermöglicht – ohne die Grundprinzipien von Freiheit und Selbstbestimmung zu opfern.

Foto: By President.gov.ua, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=107012877

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